Wort zur Woche

Jubilate

Wochenspruch: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur. Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“ 2. Korinther 5,17

Leitmotiv: Die neue Schöpfung

Wie komme ich in Christus hinein? Indem ich nicht an ihm vorbei gehe. Indem ich mich für ihn interessiere. Indem ich hinhöre. Dazu muss ich still werden. Sehr gut geeignete Räume dafür sind zum Beispiel Kirchen.

Wer in die die Kirche geht, kommt dadurch noch nicht automatisch in Christus hinein. Aber doch in den Raum der Begegnung mit ihm. Daraus kann Verinnerlichung werden, mystische Gemeinschaft: Er in mir und ich in ihm. Gemeinschaft des Vertrauens, tiefe innere Verbundenheit.

Die russische Intellektuelle und Frauenrechtlerin Tatjana Goritschewa erzählt von einer Gottsucherin, die mit Yoga meditierte, am liebsten in Kirchenräumen, weil sie die Atmosphäre dort besonders hilfreich fand.  Das meditative Achtgeben im Kontext Kirche schloss sie für das Geheimnis des christlichen Glaubens auf: Sie kam in die Kirche und sie kam darüber in Christus hinein. Tatjana Goritschewa selbst war es ganz ähnlich gegangen: Ihr Yogalehrer hatte ihr das Vaterunser als Mantra gegeben. Durch das intensive Meditieren des Bibelwortes ging es ihr auf. Neues begann: Sie wurde Christ.

Das Geheimnis des Glaubens lässt sich nur von innen her erschließen. Betrachte die Fenster eines alten Doms von außen: Du siehst graue, nichtssagende Scheiben. Gehe in die Kirche hinein und betrachte sie von innen: Sie strahlen bunt, nehmen dich in den Bann, erzählen ihre Geschichten.

Hans-Arved Willberg

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Wort zur Woche

Miserikordias Domini

Wochenspruch: „Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.“ Johannes 10,11.27.28

Leitmotiv: Der gute Hirte

Mein Vater war Pfarrer. Den Nachbarskindern hatten ihre Eltern beigebracht, sie sollten „Herr Pastor“ zu ihm sagen. Vielleicht, weil es auch noch einen richtigen Pfarrer gab im Dorf, ihrer Ansicht nach, den katholischen. Das Wort „Pastor“ gab es aber nicht im oberbayrischen Wortschatz der Nachbarskinder. Darum sagten sie „Herr Passt auf“ zu ihm. Was wahrscheinlich eher kein Kompliment war.

Es kommt eben darauf an, wie man aufpasst. Die erste Christenheit war der Meinung, Aufpasser seien für die Gemeinde sehr wichtig. Und sie richtete dafür eines der ersten kirchlichen Leitungsämter ein: Den Episkopos. Das ist griechisch und heißt auf Deutsch: „Aufseher“. Aufpasser. Daraus wurde in unserer Sprache der „Bischof“.

Im Lateinischen ist der Episkopos ein „supervisor“. „Super“ heißt „drüber“ und „visor“ heißt „Schauer“. „Aufseher“ also. Aufpasser.

Pastoren und Bischöfe als Supervisoren. Eine interessante Begriffsfüllung, oder? Was machen denn Supervisoren? Begleiten, unterstützen, empathisch zuhören, ermutigend rückmelden, Struktur in scheinbar hoffnungslose Problemknäuel bringen, Konfliktlösungen moderieren. Von außen draufschauen, Übersicht gewinnen, wenn möglich die Vogelperspektive. Damit auch die Supervisanden wieder den Überblick bekommen. Und selbst wieder einen Weg finden.

Aber nicht von oben herab. Nicht, um wie der Habicht alles zu kontrollieren, damit auch ja kein Mäuschen entkommt. Nicht als Oberkontrolleure. Nicht aus Misstrauen.

„Hirten“, Leiter, Pastoren, um anderen zu helfen, ihre Arbeit gut tun zu können. Leitung als Dienst. Andrew Grove fällt mir ein. Er hat Intel gegründet, zum Weltmarktführer in der Mikrochipbranche gemacht und ein lesenswertes Buch über  Leiterschaft geschrieben. Ich blättere mal drin, um ein paar der wirklich guten Zitate zu finden, die Führung als Dienst für andere beschreiben, damit sie ihre Arbeit lieber, besser und erfolgreicher machen. Als einen Schlüssel zum Erfolg betrachtet Grove zum Beispiel das Mitarbeitergespräch. Wozu? „Das wichtigste Kriterium dafür, daß etwas besprochen werden muß, ist, daß das Thema den Mitarbeiter stark beschäftigt und an ihm nagt.“ Dementsprechend sieht er die Rolle des Chefs in einem solchen Gespräch: „Er sollte es dem Untergebenen erleichtern, das auszudrücken, was vor sich geht und was ihm zu schaffen macht. Der Vorgesetzte ist in dem Meeting, um zu lernen und zu coachen.“ Hey, das tut richtig gut. Da wächst Vertrauen. „Ein Vorgesetzter sollte Mitarbeiterbesprechungen nie zum Dozieren benutzen – das ist der sicherste Weg, eine freie Diskussion zu verhindern und damit den Hauptzweck des Meetings zu untergraben.“ Er soll sich als Moderator verstehen. Er ist dafür verantwortlich, „eine Umgebung zu schaffen, in der sich motivierte Mitarbeiter entfalten können.“

So sind gute Hirten. Sie passen auf, indem sie Sorge dafür tragen, dass es dem einzelnen Mitarbeiter gut geht. Gerade das bringt den besten Erfolg.  Angst blockiert, Vertrauen setzt Potenziale frei. Das ist doch eigentlich sonnenklar. Aber in manche Köpfe scheint das einfach nicht hineinzugehen. Weil diese Machtmenschen selbst von der Angst getrieben sind. Wirklich, man sollte ihnen nicht gehorchen. Aber dazu braucht es Mut. Der Beste aller Hirten hat ihn gehabt. Er will uns Vorbild sein.

Hans-Arved Willberg

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Wort zur Woche

Palmarum

Wochenspruch: „Der Menschensohn muß erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.“ Johannes 3,14.15

Leitmotiv: Einzug des Königs

An ihn glauben heißt ihm folgen. Soweit du folgen kannst. Bis zum Menschenschlächterberg. Wo die bestialischen Tötungsbalken stehen. Bis zur hochoffiziell verordneten Tötungsprozedur: Höhnen, geißeln, bis die Fleischfetzen heraushängen, das Blut in Strömen fließt, die Ohnmacht naht. Ihn einen Tötungsbalken selber schleppen lassen, bis er zusammenbricht. Ihn weiter zerren. Die Balken in Kreuzform auf den Boden legen, zusammennageln. Ihn auf die Balken dehnen, hinschnüren. Den Nichtmenschen. Weiter höhnen, ausspucken über ihm. Gute, große Nägel nehmen. Den großen Hammer. Anheften. Aufrichten. Alles sehen, mitgequält, wahnsinnig vor Angst und Entsetzen. Bleiben. Gelähmt, schuldig, vollkommen überfordert. Mit ihm zum Ende kommen. Erdrückt von Finsternis. Erwürgt vom Leid. Zerrieben in Angst. Erdrückt von Schuld.

Aber dann! Die Tränen lösen sich. Der König kommt. Durch denTränenschleier siehst du ihn nahen. Zu deinen Füßen sinkt er hin. Ganz nah. Gelöst das furchtbar entstellte Gesicht. Der Qual endlich entronnen. Tränenbalsam. Jesus.

Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir?  Einfach nur bleiben, so lang es geht. Helfen beim guten letzten Werk an dir. Schwersten Abschied nehmen. Bis das Grab sich schließt.

Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem. Ich glaube dir, ich folge dir. So weit es geht, so weit ich kann. Bis sie mit dem Hebebalken den schweren, runden Stein vor den Eingang deiner letzten Ruhestätte drücken. Bis zuallerletzt.

Und dann? Dann hört das Folgen auf.  Die Tatsachen sind vollendet.

Bis er kommt und lachend deinen allzu kleinen Glauben tadelt.

Hans-Arved Willberg

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Wort zur Woche

Judika

Wochenspruch: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele.“ Matthäus 20,28

Leitmotiv: Dienstbereitschaft

Was ist dienlich? Was tut gut? Nicht nur mir, sondern auch dir? Nicht so, dass ich das große Tortenstück bekomme und du die Krümel, sondern wirklich brüderlich: Du ein Stück und ich ein Stück und im Zweifel bekommst du natürlich das größere? Natürlich bescheiden? Ist das schwer? Verbissen? Sind das große Opfer? Aber nein.

Der Herr aller Herren und König über alle Könige hat nur ein Interesse: Dienen. „Womit kann ich dienen?“ Was für eine gute, schöne Frage. „Was kann ich für dich tun?“

Ich habe mich gewundert, als ich neulich einer Kundin zur Auffrischung des Kontakts eine Mail in diesem Sinne schrieb: „Ich möchte Sie unterstützen. Was kann ich für Sie tun? Wie können Sie meine Kompetenzen für ihre Ziele brauchen?“ Das sei mit Abstand das angenehmste, freundlichste Angebot gewesen, das sie seit langem erhalten habe. Ist denn die Einstellung, nicht zu dienen, sondern bedient zu werden, wirklich so sehr verbreitet? Auch unter den Christen? Manchmal fürchte ich es. Das macht mir Angst.

Diese Haltung hat doch gar nichts Heroisches. Gar nichts Quälerisches. Natürlich, daraus kann freiwilliges Opfern entstehen, bis hin zur freiwilligen Aufopferung. Das ist ja immer so, wo wir Sinn finden. Das spornt immer an zu noch mehr, das zieht hin zur Ganzhingabe. Aber sollten wir uns davor fürchten? Was ist denn ein Leben, das ohne ganze Hingabe bleibt? Ist das nicht arm und eng?

In Lybien sind viele bereit, ihr Leben für die Freiheit zu opfern. Und sie tun es auch, jetzt wieder, in diesem Moment, wo Du das liest. Obwohl ihnen kaum jemand dient unter den Mächtigen. Warum eigentlich: Weil sie alle nur selbst bedient werden wollen? Weil sie es nicht dienlich finden, Gaddafi wirklich fallen zu lassen? Hin- und hergeschoben haben sie die Verantwortung und den Tyrannen wüten lassen gegen sein eigenes Volk. Wieder einmal. So geht die übrige Welt mit Afrika um. Oder nicht?

Und was dient den Flüchtlingen eigentlich wirklich? Und den französischen Roma? Ich wundere mich, warum anscheinend niemand so fragt in der Politik. Die Probleme ließen sich viel leichter lösen, wenn aus der Perspektive der Betroffenen gedacht und entschieden würde.  Dort und überall.

Hans-Arved Willberg

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Wort zur Woche

Estomihi

Wochenspruch: „Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn.“ Lukas 18,31-43

Leitmotiv: Der Weg zum Kreuz

Es geht hinauf, wenn es hinab geht. Der Weg in die Katastrophe des Kreuzes ist der Weg zum Sieg des Lebens. Nicht per se, als naturgesetzlicher Mechanismus, sondern als Weg, der gegangen sein will. „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück.“ Wandern, nicht stehen bleiben, nicht festsitzen, nicht unterliegen, aufgeben und die Augen schließen. Wer sie nicht öffnet, sucht, tastet, weitergeht, wird nicht zum Licht am Ende des Tunnels finden. Es geht weiter, wenn ich weitergehe.

Wer stoppt Gaddafi? Wieder einmal schaut sich die Welt ein afrikanisches Blutbad im Fernsehen an. Das Problem müsse erst einmal Afrika-intern angegangen werden, sagt ein deutscher Menschenrechtler. Nein. Denn erst einmal bombardiert der wahnsinnige Machtbesessene seine eigene Bevölkerung. Er muss aufgehalten werden. Claudia Roth fand es „unanständig“, dass Guttenberg sein Rücktrittszögern mit dem Tod der Bundeswehrsoldaten in Afganisthan begründete: dass nicht der Rummel um sein wissenschaftliches Vergehen den anständigen öffentlichen Umgang damit völlig überlagere. Aber so ist das: Tote taugen nur bedingt zu spannenden Schlagzeilen. Es gibt zu viele davon. Den Fernsehserienmachern fällt halt immer noch wenig anderes ein, als Tag für Tag, Nacht für Nacht, eimerweise Blut fließen zu lassen. Entstellte Leichen erregen ein wenig, na ja, genug vielleicht für etwas Zerstreuung, aber doch zu wenig, um damit wirklich Begeisterung (für den Film) und Empörung (für die Realität) zu schaffen. Aber das will man doch. Da wirkt doch diese Peinlichkeit des hoch angesehenen Ministers ungleich besser. Das sind die wahren Bomben!

Gedenkt derer, die ihr Leben für die Freiheit ließen und lassen. Ohne die dunklen Kreuzwege kommt die Menschlichkeit nicht voran.  Ohne den dunklen Kreuzweg wird selbst Gott nicht wirklich Mensch. Gedenkt der Passion. Schaut hin. Nehmt ihn wahr, diesen ekelhaften Kreuzberg zur zynischen Menschenabschlachtung ganz nah vor den Toren der Goldenen Stadt. Nehmt sie wahr, die Killing Fields. Vergesst sie nicht. Gedenkt des unschuldigen Leidens. Und handelt entsprechend.  Oh Gott, lass uns barmherziger werden in dieser Zeit des Gedenkens.

Hans-Arved Willberg

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Wort zur Woche

Sexagesimä

Wochenspruch: „Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht.“ Hebräer 3,15

Leitmotiv: Wie es wirkt, wenn Gott spricht

Verstocken ist Verschließen. Öffnung zur Wahrheit hin ist ein Zirkel: Weil ich höre, verschließe ich mich nicht. Weil ich mich nicht verschließe, kann ich hören.

Was ist denn heute seine Stimme? Was ist denn heute Wahrheit? Menschlichkeit! Der postmoderne Wahrheitsrelativismus funktioniert doch nur im Elfenbeinturm. Wenn er ethisch umgesetzt wird, offenbart er sich als Unmenschlichkeit. Nein? Gibt es keine Wahrheit?  Dann ist also auch die Unmenschlichkeit in Wahrheit ein Relativum? Hitler? Gaddafi?

Was ist Wahrheit in der Guttenbergaffäre? Die Richtigkeit der Beschuldigungen? Die Richtigkeit der Rechtfertigungen? Die Einschätzung Guttenbergs durch 75 % der deutschen Bürger oder die Einschätzung der Journalisten und der politischen Opposition? Ist Wahrheit Recht haben?

Wenn wir heute Gottes Stimme hören, zeigt sich die Wahrheit auf höherem Niveau, will ich meinen. Wahrhaft unmenschlich finde ich es, wenn ein Oppositionsführer Guttenberg noch in der Anfangsphase des Enthüllungsprozesses mit Berlusconi gleichsetzte. Und ein anderer mit Felix Krull. Was unter die Gürtellinie geht, ist doch wohl nicht wahrheitsfördernd, oder? Unmenschlich ist es allenthalben.

Die Wahrheit im Sinne von Richtigkeit muss gefunden werden im Fall Guttenberg, daran kann es keinen Zweifel geben. Auch wenn ihn das den Ministerposten kostet. Aber der Umgang mit dem bloßgestellten Menschen Guttenberg ist die bedeutendere Wahrheitsfrage, die Gretchenfrage für bekennende Demokraten, die sie doch alle miteinander sind, schlechthin: Wie hältst du’s mit der Menschlichkeit?

Hans-Arved Willberg

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Wort zur Woche

Septuagesimä

Wochenspruch: „Wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.“ Daniel 9,19

Leitmotiv: Lohn und Gnade

Das betet Daniel, der biblischen Historie nach einer der mächtigsten Politiker in der Glanzzeit des antiken persischen Hofs. Gut gebetet! Weil unsere Gerechtigkeit so furchtbar schnell und leicht gnadenlos unbarmherzig wird und sich dadurch in Unrecht verwandelt: Selbstgerechtigkeit, Vorverurteilung, Arroganz, Süffisanz, Spott, Zynismus, Besserwisserei.

Ich schlage ein Viertelstündchen des stillen Gebets für die gehetzten Journalisten und Politiker vor, die hetzen, wer ihnen gerade in den Weg kommt, egal, wie unbescholten er bislang gewesen sein mag, wenn sie nur einen Anlass finden können. Ich schlage vor, dass sie sich ein wenig ins Kämmerlein zurückziehen, um ein wenig zur Besinnung zu kommen, und sei es nur für ein paar Augenblicke auf dem stillen Ort. Mögen sie ihr dortiges Produkt zum Gegenstand des Meditierens machen: Ist es nicht wirklich Scheiße (man verzeihe mir dies Wort am öffentlichen Ort, aber mir fällt kein vergleichbar treffendes ein), einen unbescholtenen Spitzenpolitiker, einen Hoffnungsträger unserer Demokratie, schon mal vorab in der Luft zu zerreißen, weil Unstimmigkeiten in seiner Doktorarbeit festgestellt wurden, die von einer höchst professionellen, ehrwürdigen, fachlich integren Wissenschaftskommission einer angesehenen deutschen Universität des höchsten Lobes würdig befunden wurde? Ihm von vornherein  Betrug zu unterstellen? Ihn schon zu verurteilen, bevor man überhaupt hingehört hat, was er selbst dazu sagt? Auf Verdacht hin schon mal kräftig an seinem Stuhl zu sägen?

Närrische Tage sind das gerade. Wenn Narren an der Macht sind, müssen sie verschwinden. Einer ging gerade, die Stühle anderer wackeln sichtlich. Was für eine großartige Macht der Menschlichkeit, die sie zum Abdanken zwingt. Wie stolz können wir auf unsere Mitbürger in den „neuen Bundesländern“ sein, dass sie diesen Weg so mutig vorangegangen sind, vorbildlich für die Demokraten in aller Welt. Durch den solidarischen Schulterschluss der menschlichen Verbundenheit wird Freiheit möglich. Und echte Demokratie.

Den heutigen persischen Großmächtigen gelingt es immer schlechter, die Welt zum Narren zu halten. Die Freiheit der Medien spielt dabei eine entscheidende Rolle. Um so größer ist die Verantwortung der Medienmächtigen. War vielleicht der hässliche Angriff auf die journalistische Freiheit in Ungarn ein notwendiger Schuss vor den Bug? Ein Enthüllungsjournalismus, dem es immer zunächst einmal nur um die nackten Tatsachen geht, egal, wie tatsächlich sie sind, enthüllt sich selbst als ethisch äußerst fragwürdig. Julian Assange ist kein Freiheitsheld und den moralischen Pharisäismus im Journalismus finde ich (auch hier fällt mir leider kein passendes Synonym ein) zum Ko… (ah, ja doch, es gibt eins:) zum Erbrechen. Der demokratische Journalismus beansprucht Narrenfreiheit und tut gut daran. Aber zu den Kennzeichen des politischen Narrentums gehörten seit jeher Respekt und Konstruktivität. Destruktive Vorab-Polemik im Namen der Narrenfreiheit ist närrisch. Wir wollen nicht von den Politikern zum Narren gehalten werden, aber von den Journalisten genau so wenig.

Hans-Arved Willberg

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Letzter Sonntag nach Epiphanias

Wochenspruch: „Über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.“ Jesaja 60,2

Leitmotiv: Die Verklärung Jesu

Verklärung ist größtmögliche Klarheit. Glasklare Wahrheit. Klarer Durchblick. Als die Engel zu den Hirten kommen, umleuchtet sie „die Klarheit des Herrn“. „Und sie fürchteten sich sehr.“ Ist doch klar, oder? Bei all dem Ungeklärten unter ihnen.  Oder Petrus auf dem Berg der Verklärung: „Alles klar, Chef, ich bau schon mal ein paar Hütten, für dich und Onkel Mose und Bruder Elia.“ Hütten bauen, wenn sich der Himmel öffnet… Doch, Petrus, du spinnst nicht einfach bloß. Du suchst Schutz. Du kommst dir höchst unangenehm durchleuchtet vor. Wenn jetzt auf einmal alles nur noch Wahrheit wird…

Ach ja, wie singen wir gleich wieder: „Oh komm, du Geist der Wahrheit, und kehre bei uns ein. Verbreite Licht und Klarheit, verbanne Trug und Schein.“ Wenn wir es überhaupt singen. Wenn wir uns nicht in ziemlich unklare Gefühlswolken hinaufjubeln, abheben, den Boden unter den Füßen verlieren.

Nichts da. Der Geist der Klarheit und Wahrheit macht extrem nüchtern.

„Gieß aus dein heilig Feuer, zünd Herz und Lippen an.“ Will ich das? An Jesaja denke ich. „Heilig, heilig, heilig“ singen die Engel ganz unten am Rockzipfel Gottes im Tempel und das Krümelchen Jesaja kann nicht weglaufen. „Weh mir, ich verbrenne!“ Er schreit vor Angst. Welch erhebender Augenblick…

Oder sollen nur die andern brennen? Mal so richtig durchläutert werden?

Lass uns tapfer trotzdem beten um den Geist der Wahrheit und Klarheit. Denn wenn wir nicht klar kommen, bleibt zuletzt nur noch die Angst. Oder?

Ja sagen, ehrlich werden. Immer noch ein bisschen ehrlicher. Immer noch ein bisschen klarer. Dass mir nach solchem Kampf die Sonne aufgeht.

Hans-Arved Willberg

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5. Sonntag nach Epiphanias

Wochenspruch: „Der Herr wird ans Licht bringen, was im Finstern verborgen ist, und wird das Trachten der Herzen offenbar machen.“ 1. Korinther 4,5b

Leitmotiv: Die Zeit in Gottes Hand

Schade, dass der 5. Sonntag nach Epiphanias im Kirchenjahr nur selten vorkommt – nur dann, wenn die Fastenzeit sehr spät beginnt. Es gibt nur wenig Zeit für das Thema „Zeit“. Aber um mit der Zeit gut zurechtzukomen, müssen wir uns Zeit nehmen.

Zeit nehmen: Weil Zeit zur Verfügung steht. Immer. Sofern ich frei bin zu entscheiden, ist sie da, die Zeit, und stellt sich mir zur Verfügung: „Mach mit mir, was du möchtest!“ Die Zeit, mein treuer, sehr verlässlicher Diener.

Noch nie hat die Zeit einen Menschen beherrscht. Zeitdruck gibt es nicht, denn die Zeit drückt nicht. Sie dient. Sie hat immer nur die Qualität, die wir ihr geben. Ich kann sie mir nehmen und ich kann sie füllen, ausgestalten. Wie ich will.

Und darum kann ich auch jede Zeit in Gottes Hände legen, wenn ich will. Die vergangene, an der ich nichts mehr ändern kann. Damit Gott sagt: „Hab keine Angst, da rächt sich nichts. Es ist Friede, weil ich es so will. Es ist gut so, wie es ist, weil ich es sage. Friede mit dir!“ Die zukünftige, weil sie noch unverfügbar ist. Damit Gott sagt: „Mach dir keine Sorge, denn ich sorge vor für dich. Ich weiß schon, was kommen wird. Und ich herrsche darüber. Es wird gut sein für dich – du wirst es sehen. Ich garantiere es dir.“ Dann bin ich frei, um heute zuzugreifen: Ich bediene mich. Ich nehme die Zeit dieses Tages selbst in die Hand und mache einen vernünftigen Plan. 24 Stunden Zeit! Eine spannende Herausforderung und ein großartiges Geschenk.

Ach ja, und dann war da noch der Wochenspruch:  Gott weiß, wie ich es meine, sagt er mir. Tröstlich ist das. Gott erinnert sich. Er versteht mich zutiefst. Er liebt mich wirklich. Der gute, wahre Vater.

Hans-Arved Willberg

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Wort zur Woche

4. Sonntag nach Epiphanias

Wochenspruch: „Kommt her und sehet an die Werke Gottes, der so wunderbar ist in seinem Tun an den Menschenkindern.“ Psalm 66,5

Leitmotiv: Gott herrscht über die Naturmächte

Wunderbar. Wundersam. Verwunderlich. „Ehrlich gesagt, ich bin nun doch etwas verwundert.“ Wir wundern uns, wenn wir etwas nicht verstehen. Wenn es kommt, wie ich will, dann freue ich mich: Wunderbar! Wenn es nicht kommt, wie ich will, dann bin ich enttäuscht, deprimiert, ärgerlich.

Jesus steht im Boot auf und gebietet Sturm und Wellen. Es wird ganz still. Erdbeben begraben Zehntausende unter Trümmern, Tsunamis schwemmen Menschenleben weg wie der Strahl im Waschbecken meine Essensreste.  Oh Gott, wie groß bist du.

Verstehst du Auschwitz? Verstehst du Haiti? Ich wundere mich.

Verstehst du, dass wir auf diesem hochexplosiven Feuerball mit der hauchdünnen Schale  ein wunderschönes Leben führen können? Dass es auf dieser Erde Paradiese gibt?

Hiob findet ins Leben zurück, als ein Gewitter tobt. Da versteht er, dass es wenig zu verstehen, aber viel zu wundern gibt. Da löst sich sein Krampf. Er löst sich aus dem Clinch. Er lässt Gott los und wendet sich dem Leben zu. Und hört Gott reden. Ganz anders als bisher. Wundersam neu.

Hans-Arved Willberg

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