Wort zur Woche

Miserikordias Domini

Wochenspruch: „Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.“ Johannes 10,11.27.28

Leitmotiv: Der gute Hirte

Mein Vater war Pfarrer. Den Nachbarskindern hatten ihre Eltern beigebracht, sie sollten „Herr Pastor“ zu ihm sagen. Vielleicht, weil es auch noch einen richtigen Pfarrer gab im Dorf, ihrer Ansicht nach, den katholischen. Das Wort „Pastor“ gab es aber nicht im oberbayrischen Wortschatz der Nachbarskinder. Darum sagten sie „Herr Passt auf“ zu ihm. Was wahrscheinlich eher kein Kompliment war.

Es kommt eben darauf an, wie man aufpasst. Die erste Christenheit war der Meinung, Aufpasser seien für die Gemeinde sehr wichtig. Und sie richtete dafür eines der ersten kirchlichen Leitungsämter ein: Den Episkopos. Das ist griechisch und heißt auf Deutsch: „Aufseher“. Aufpasser. Daraus wurde in unserer Sprache der „Bischof“.

Im Lateinischen ist der Episkopos ein „supervisor“. „Super“ heißt „drüber“ und „visor“ heißt „Schauer“. „Aufseher“ also. Aufpasser.

Pastoren und Bischöfe als Supervisoren. Eine interessante Begriffsfüllung, oder? Was machen denn Supervisoren? Begleiten, unterstützen, empathisch zuhören, ermutigend rückmelden, Struktur in scheinbar hoffnungslose Problemknäuel bringen, Konfliktlösungen moderieren. Von außen draufschauen, Übersicht gewinnen, wenn möglich die Vogelperspektive. Damit auch die Supervisanden wieder den Überblick bekommen. Und selbst wieder einen Weg finden.

Aber nicht von oben herab. Nicht, um wie der Habicht alles zu kontrollieren, damit auch ja kein Mäuschen entkommt. Nicht als Oberkontrolleure. Nicht aus Misstrauen.

„Hirten“, Leiter, Pastoren, um anderen zu helfen, ihre Arbeit gut tun zu können. Leitung als Dienst. Andrew Grove fällt mir ein. Er hat Intel gegründet, zum Weltmarktführer in der Mikrochipbranche gemacht und ein lesenswertes Buch über  Leiterschaft geschrieben. Ich blättere mal drin, um ein paar der wirklich guten Zitate zu finden, die Führung als Dienst für andere beschreiben, damit sie ihre Arbeit lieber, besser und erfolgreicher machen. Als einen Schlüssel zum Erfolg betrachtet Grove zum Beispiel das Mitarbeitergespräch. Wozu? „Das wichtigste Kriterium dafür, daß etwas besprochen werden muß, ist, daß das Thema den Mitarbeiter stark beschäftigt und an ihm nagt.“ Dementsprechend sieht er die Rolle des Chefs in einem solchen Gespräch: „Er sollte es dem Untergebenen erleichtern, das auszudrücken, was vor sich geht und was ihm zu schaffen macht. Der Vorgesetzte ist in dem Meeting, um zu lernen und zu coachen.“ Hey, das tut richtig gut. Da wächst Vertrauen. „Ein Vorgesetzter sollte Mitarbeiterbesprechungen nie zum Dozieren benutzen – das ist der sicherste Weg, eine freie Diskussion zu verhindern und damit den Hauptzweck des Meetings zu untergraben.“ Er soll sich als Moderator verstehen. Er ist dafür verantwortlich, „eine Umgebung zu schaffen, in der sich motivierte Mitarbeiter entfalten können.“

So sind gute Hirten. Sie passen auf, indem sie Sorge dafür tragen, dass es dem einzelnen Mitarbeiter gut geht. Gerade das bringt den besten Erfolg.  Angst blockiert, Vertrauen setzt Potenziale frei. Das ist doch eigentlich sonnenklar. Aber in manche Köpfe scheint das einfach nicht hineinzugehen. Weil diese Machtmenschen selbst von der Angst getrieben sind. Wirklich, man sollte ihnen nicht gehorchen. Aber dazu braucht es Mut. Der Beste aller Hirten hat ihn gehabt. Er will uns Vorbild sein.

Hans-Arved Willberg

Über Hans-Arved Willberg

Dr. phil. Hans-Arved Willberg Trainer - Dozent - Publizist Jhg. 1955, vh., 2 Söhne, wohnt in Etzenrot bei Karlsruhe Inhaber Beratungsfirma Life Consult und Leiter Institut für Seelsorgeausbildung (ISA)
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