Wort zur Woche

Septuagesimä

Wochenspruch: „Wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.“ Daniel 9,19

Leitmotiv: Lohn und Gnade

Das betet Daniel, der biblischen Historie nach einer der mächtigsten Politiker in der Glanzzeit des antiken persischen Hofs. Gut gebetet! Weil unsere Gerechtigkeit so furchtbar schnell und leicht gnadenlos unbarmherzig wird und sich dadurch in Unrecht verwandelt: Selbstgerechtigkeit, Vorverurteilung, Arroganz, Süffisanz, Spott, Zynismus, Besserwisserei.

Ich schlage ein Viertelstündchen des stillen Gebets für die gehetzten Journalisten und Politiker vor, die hetzen, wer ihnen gerade in den Weg kommt, egal, wie unbescholten er bislang gewesen sein mag, wenn sie nur einen Anlass finden können. Ich schlage vor, dass sie sich ein wenig ins Kämmerlein zurückziehen, um ein wenig zur Besinnung zu kommen, und sei es nur für ein paar Augenblicke auf dem stillen Ort. Mögen sie ihr dortiges Produkt zum Gegenstand des Meditierens machen: Ist es nicht wirklich Scheiße (man verzeihe mir dies Wort am öffentlichen Ort, aber mir fällt kein vergleichbar treffendes ein), einen unbescholtenen Spitzenpolitiker, einen Hoffnungsträger unserer Demokratie, schon mal vorab in der Luft zu zerreißen, weil Unstimmigkeiten in seiner Doktorarbeit festgestellt wurden, die von einer höchst professionellen, ehrwürdigen, fachlich integren Wissenschaftskommission einer angesehenen deutschen Universität des höchsten Lobes würdig befunden wurde? Ihm von vornherein  Betrug zu unterstellen? Ihn schon zu verurteilen, bevor man überhaupt hingehört hat, was er selbst dazu sagt? Auf Verdacht hin schon mal kräftig an seinem Stuhl zu sägen?

Närrische Tage sind das gerade. Wenn Narren an der Macht sind, müssen sie verschwinden. Einer ging gerade, die Stühle anderer wackeln sichtlich. Was für eine großartige Macht der Menschlichkeit, die sie zum Abdanken zwingt. Wie stolz können wir auf unsere Mitbürger in den „neuen Bundesländern“ sein, dass sie diesen Weg so mutig vorangegangen sind, vorbildlich für die Demokraten in aller Welt. Durch den solidarischen Schulterschluss der menschlichen Verbundenheit wird Freiheit möglich. Und echte Demokratie.

Den heutigen persischen Großmächtigen gelingt es immer schlechter, die Welt zum Narren zu halten. Die Freiheit der Medien spielt dabei eine entscheidende Rolle. Um so größer ist die Verantwortung der Medienmächtigen. War vielleicht der hässliche Angriff auf die journalistische Freiheit in Ungarn ein notwendiger Schuss vor den Bug? Ein Enthüllungsjournalismus, dem es immer zunächst einmal nur um die nackten Tatsachen geht, egal, wie tatsächlich sie sind, enthüllt sich selbst als ethisch äußerst fragwürdig. Julian Assange ist kein Freiheitsheld und den moralischen Pharisäismus im Journalismus finde ich (auch hier fällt mir leider kein passendes Synonym ein) zum Ko… (ah, ja doch, es gibt eins:) zum Erbrechen. Der demokratische Journalismus beansprucht Narrenfreiheit und tut gut daran. Aber zu den Kennzeichen des politischen Narrentums gehörten seit jeher Respekt und Konstruktivität. Destruktive Vorab-Polemik im Namen der Narrenfreiheit ist närrisch. Wir wollen nicht von den Politikern zum Narren gehalten werden, aber von den Journalisten genau so wenig.

Hans-Arved Willberg

Über Hans-Arved Willberg

Dr. phil. Hans-Arved Willberg Trainer - Dozent - Publizist Jhg. 1955, vh., 2 Söhne, wohnt in Etzenrot bei Karlsruhe Inhaber Beratungsfirma Life Consult und Leiter Institut für Seelsorgeausbildung (ISA)
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