Beziehungs-los: Predigt über Singledasein und Partnerschaft

Predigt “Beziehungs-los” beim @home-Gottesdienst am 20.11.11

Ort: Ev. Kirchengemeinde Graben-Neudorf. Inhalt: Die Ergänzung derGeschlechter gehört zur Grundausstattung des Menschen. Darum ist die große Sehnsucht nach Partnerschaft gesund, gut und normal. Wichtig ist aber auch, dass man es richtig anpackt und nicht zu früh aufgibt. Dazu ist Sozialkompetenz gefragt. Es wird erläutert, was darunter zu verstehen ist. Es kann aber auch sein, dass der Zeitpunkt kommt, an dem jemand aus gutem Grund sagt: Ich bleibe Single. Das wird kaum ohne Trauer gelingen. Aber auf dem Weg des Trauerns kann neuer Sinn gefunden werden.

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Wort zur Woche

Letzter  Sonntag des Kirchenjahres

Wochenspruch: „Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen.“   Lukas 12,35

Leitmotiv: Die ewige Stadt

Bereit sein zum Aufbruch. Loslassen, zurücklassen. Geordnet leben. Nicht viel besitzen, was heißen soll: Nicht viel besetzt halten, denn je mehr ich besetze, desto mehr muss ich räumen, wenn die Stunde des Aufbruchs kommt. Verwalten, ja, und dankbar in Anspruch nehmen, was ich zum Leben brauche. Großzügig genießen und Verantwortung übernehmen. Aber Reichtum ist nur durch Verantwortung legitimiert. Alles, worüber ich Macht habe, was ich aber nicht zum Leben brauche, ist mir nur zur Verwaltung anvertraut. Damit ich es  nicht besetze, sondern dass ich es einsetze und umsetze zum Wohlergehen anderer. Sonst besetzt mich der Besitz. Sonst werde ich vom Besitz besessen. Sonst bin ich besessen. Glaube niemand, dass Besessenheit eine dämonische Erkrankung sei, die ihn befallen mag wie der Grippevirus. Glaube niemand, dass er angekettet wird. Wir ketten selbst. Wir halten fest. Das Geld tut uns nichts. Wir selbst raffen und horten. Niemand besetzt uns. Wir selbst entscheiden uns für die Unfreiheit. Wir selbst sind verantwortlich.

Lenden gürten, was bedeutet: sich reisefertig anziehen, und Lichter brennen lassen ist bewusste, gewollte Aktivität, entschiedenes Gegenprogramm zu Resignation, Lethargie, Verdrängung, schädlicher Bequemlichkeit. Unsere inneren Schweinehunde haben keine Lust dazu. Es ist ihnen zu kalt da draußen. Sie wollen sich gern einigeln in Untätigkeit. „Ein schönes Leben führen“ sagen sie dazu. Das muss man sich leisten können. Dafür baut sich der reiche Kornbauer seine Speicher: Bequemlichkeit als höchstes Lebensziel. Dafür verheizt er die Ressourcen. Dafür speist er die Bedürftigen vor seiner Tür mit Almosen ab.

Es gibt immer etwas, wozu wir uns aufraffen müssen, wenn wir weiterkommen wollen. Heute ist Mut und Entschlossenheit gefragt. Loslassen und neu hinein ins Leben. Ganz konkret, weil das Weitergehen immer nur in ganz konkreten Schritten besteht. Heute ist Aufbruch angesagt. Immer heute.

Hans-Arved Willberg

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Wort zur Woche

Vorletzter  Sonntag des Kirchenjahres

Wochenspruch: „Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.“   2. Korinther 5,10

Leitmotiv: Das Endgericht

Offenbar zu werden setzt voraus, dass es etwas gibt, das zu offenbaren ist. Eine noch verborgene Wahrheit. Die postmoderne Leugnung fest stehender, allgemein verbindlicher Wahrheiten überhaupt scheint die Verweigerung eines logischen Schlusses zu sein, den in der Praxis jeder zieht, so wie kein vernünftiger Mensch behauptet, das Ergebnis von zwei plus zwei sei ein Fragezeichen. Wir entkommen der Wahrheit nicht. Die Behauptung, es existiere überhaupt keine wirkliche Wahrheit, kann nur dann sinnvoll sein, wenn sie für ihre Aussage Wahrheit beansprucht: „Ich sage euch die Wahrheit: Es gibt kein Wahrheit!“ Also gibt es sie doch: Deine Wahrheit. Ich wundere mich, wie verbreitet dieser Denkfehler derzeit ist und mit welcher diktatorischen Macht er auftritt. Mit militantem Absolutheitsanspruch wird jeder Absolutheitsanspruch verteufelt. Was ist ein Absolutheitsanspruch? Nichts anderes als die Behauptung einer unumstößlichen Wahrheit.

Diese merkwürdige Kurzschlüssigkeit des Denkens selbst klügster Köpfe entsteht aus der falschen Annahme, dass wahr nur etwas sein könne, das man begreifen, beschreiben, ausmessen, wiegen kann. Demgegenüber hat Jesus darauf hingewiesen, dass der Geist der Wahrheit, der Heilige Geist, das Wesen der Wahrheit schlechthin, dem Wind vergleichbar nur von seinen Wirkungen her rückschließend wahrgenommen werden kann. Weil sich Blätter bewegen, weil ich einen gewissen Druck auf der Haut spüre, folgere ich daraus den Wind, der mir selbst aber ungreifbar und unsichtbar bleibt. Hinter jeder Wirkung ist ein Wesen, alles Dasein weist hinter sich zurück auf ein Sein, dem es entstammt. Von Nichts kommt nichts. Wir wissen das Dasein, es ist Natur, und die Lehre vom Wissen um die Natur nennen wir Naturwissenschaft. Aber das Sein, das Wesen, die Wahrheit der Dinge schlechthin, wissen wir nicht, denn das ist uns unbegreifbar. Wir können das nur glauben und wir können nicht anders, als es glauben zu müssen.

Da hinein redet der Wochenspruch: Auch wenn ihr es nicht glauben wollt, ihr müsst es doch glauben und ihr werdet es einmal nicht mehr leugnen können: Es ist eine Ewigkeit, es gibt Letztgültiges, darauf seid ihr Menschen bezogen. Ihr seid darum verantwortlich, jenseits aller Relativierungen. Und das wird sich offenbaren.

So ist alles Ewige: Es kann nicht gewusst werden, es kann sich nur offenbaren. Es ist und bleibt Geheimnis. „Richterstuhl Christi“ sagt Paulus zum Mysterium der letztendlichen Offenbarung, die alle Lüge und allen bloßen Schein wegnimmt. Das ist eine paradoxe Formulierung, die zum Meditieren einlädt: Den Platz des strengen Richters nimmt der barmherzige Erlöser ein. Der wahre Mensch. Das ewige Leben ist die vollkommene Herrschaft der Liebe.

Hans-Arved Willberg

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Predigt über das Böse und das Gute

Predigt zum drittletzten Sonntag des Kirchenjahres über Lukas 11,14-23

Ort: Ev. Johannis-Paulus Gemeinde, Karlsruhe-Südstadt. Inhalt: Was ist böse? Was ist gut? Es kommt darauf an, dass wir zwischen dem äußeren und dem inneren Bösen und Guten unterscheiden. Dass wir das Äußere nicht verharmlosen, aber auch keine unangemessenen Rückschlüsse aus dem Äußeren auf das Innere ziehen.

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Wort zur Woche

Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres

Wochenspruch: „Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils.“   2. Korinther 6,2

Leitmotiv: Gottes Reich kommt

Jetzt.  Heute, wenn sie mit dem Feuer spielen. Wenn sie ihr Machtroulette spielen und dabei wieder um der eigenen Eitelkeit willen das Schicksal der Welt einsetzen. Wenn sie sich dreist über alle Vernunft hinwegsetzen und die Menschenrechte mit Füßen treten. Wenn Russland den Massenmörder Assad einen guten Menschen heißt, um seine Militärpräsenz am Mittelmeer nicht zu gefährden. Wenn der Iran aller Welt die lange Nase macht und weiter an der Teufelsbombe bastelt. Wenn Israel sein Schofarhorn missbraucht, um zum unkalkulierbaren Angriff gegen den Feind im Norden zu blasen. Wenn alle Welt die Terroranarchie und grenzenlose Menschenquälerei in Somalia mit Achselzucken weiter offenen Auges walten und wuchern lässt. Wenn der Anstieg der CO2-Werte nicht nur der chinesischen Profitgeilheit wegen die düsteren Prognosen der Skeptiker noch übertrifft, sondern auch der Verantwortungslosigkeit der US-amerikanischen Weltverbesserer wegen. Wenn in Griechenland eitles Politikergezänk die unberechenbare Destabilisierung ganz Europas riskiert. Wenn in Italien immer noch ein Mann die Macht in Händen hält, der an der Wirklichkeit vorbeilebt. Wenn in Mexiko das organisierte Verbrechen schon seit Jahren einen erfolgreichen „Bürgerkrieg“ führt kann, weil der Drogenhandel dort und beim großen Nachbarn USA ein lukrativer Wirtschaftsfaktor ist. Heute. Jetzt.

Jetzt ist die Zeit der Gnade, weil wir jetzt Gnade brauchen. Damit nicht das sensible politische und ökologische Gleichgewicht des Globus unkontrollierbar in die Katastrophe kippt, nur weil die Mächtigen und ihre Massen sich beharrlich weigern, vernünftig zu sein. Damit Friede und Verantwortung wachsen und Krieg und blinder Wahn es immer schwerer haben.

Jetzt, hier und heute, ist der Tag des Friedens und der Verantwortung, bei dir und mir. Der ganz besondere Tag sensibler Wachsamkeit. Heute ist der Tag, um sich dem Leben aufmerksam zu stellen und zu widmen. Achtsam, ehrlich wirklich da zu sein. Zu leben statt sich leben zu lassen. Zu atmen statt zu hetzen. Zu hören statt zu faseln. Heute ist der ganz besondere Tag des Mundhaltens für mich und dich. Tag des Innehaltens. Tag der Stille. Tag der Besinnung.

Sag nicht, dass du gerade wirklich keine Zeit dazu hast. Jetzt ist die Zeit.

Hans-Arved Willberg

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Wort zur Woche

18. Sonntag nach Trinitatis

Wochenspruch: „Das Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe.“   1. Johannes 4,21

Leitmotiv: Das höchste Gebot

Das ist geboten. Nicht befohlen. Wir fragen, was das Gebotene sei in einer bestimmten Situation. Wir meinen damit das Passende. Das Stimmige. Das Angemessene.

Zu lieben ist das Gebotene. Das höchste Gebotene. Nicht im Sinne einer höchsten Stufe, unter der alle anderen Stufen nicht oder noch nicht Liebe sind. Sondern im Sinne des einzig Wesentlichen. Die Liebe ist der Schatz im Acker, die kostbare Perle.

Liebe ist nur Liebe, wenn sie konkret wird, hier und heute, in Raum und Zeit. Gott begegnet mir im Mitmenschen. Im Du finde ich den Gegenstand der Liebe.

Gott zu lieben und den Mitmenschen, das ist nicht zweierlei. Das wäre Gespaltenheit. Liebe ist unteilbar. Es gibt sie nur als Liebe von ganzem Herzen. Ich kann nicht meinen Mitmenschen lieben und außerdem noch Gott. Oder Gott und außerdem noch meinen Mitmenschen. Dieses Du da beansprucht mich ganz. Sonst ist es nicht Liebe.

Gott lieben heißt: Still sein, um zu empfangen. Hören und meditieren, was er sagt. Den Mitmenschen lieben heißt: Still sein, um zu empfangen und zu dienen. Beides, die Liebe zu Gott und die Liebe zum Mitmenschen, geschieht in der aufmerksamen Begegnung.

Du Mensch, der du mir heute begegnest, bist Geschenk für mich. Irgendwie eine Hilfe zum Leben für mich. Vielleicht sehr herausfordernd. Aber immer dankenswert. Und ich für dich.

Womit kann ich dir dienen? Wenn wir das beide fragen, tun wir uns gut. Ganz unspektakulär ereignet sich da die Liebe. Das ist sinnvolles Leben.

Hans-Arved Willberg

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Wort zur Woche

16. Sonntag nach Trinitatis

Wochenspruch: „Jesus Christus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium.“   1. Timotheus 1,10

Leitmotiv: Das Unvergängliche

Die Macht des Todes überwinden wir durch den Glauben. Nicht, indem wir uns den Tod zurechtdenken. Auch nicht durch einen Glauben, der sich den Tod zurechtdenkt. Das Wissen um den Tod macht uns die größte Angst. Das ist unsere Urangst, unsere existenzielle Angst. Wir wollten den Tod gern vermeiden, wenn es nur irgendwie ginge, obwohl wir doch nichts so sicher vorhersehen können wie ihn. Das ist unser Grunddilemma.

Auf diesen Punkt konzentriert sich die ganze Botschaft des Evangeliums: Es ist die einzige Medizin gegen diese Angst mit wirklicher Heilkraft. Selbst das Evangelium nimmt diese Angst nicht einfach weg, wie ein Schuss Heroin alles Unwohlsein vollkommen beseitigt. Aber das Evangelium setzt ihr eine letzte Grenze. Mitten in der Angst ist Trost.

Das zutiefst Grauenhafte an der Angst des Todes ist die Angst der Hölle. Darum wird im Neuen Testament der Auferstehungssieg Jesu Christi mit dem Sieg über den Teufel und die Hölle gleichgesetzt.  „O Tod, wo ist dein Stachel nun? Wo ist dein Sieg, o Hölle?“ heißt es darum im österlichen Wochenlied. Die Höllenangst wird nur durch das Evangelium gestillt: Gott ist für mich. Mein Leben kann noch so daneben gegangen sein. Ich kann im letzten Gericht nicht verurteilt werden, sei die Anklage auch noch so gewichtig. Ich muss mich weder verteidigen noch irgendetwas abbüßen. Christus tritt für mich ein und Christus hat meine Schuld beglichen.

Hans-Arved Willberg

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Wort zur Woche

12. Sonntag nach Trinitatis

Wochenspruch: „Er wird das geknickte Rohr nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.“ Jesaja 42,3

Leitmotiv: Gottes Geist verändert uns

Angeknackst. Gebrochen. Gebrechlich. Verletzt. Leicht verletzbar. Geschwächt. Gefährdet. Das fällt mir ein zum „geknickten Rohr“. Und dann kommt mir in den Sinn, wie solche Menschen von ihren Mitmenschen beurteilt werden: Empfindlich. Mimosenhaft. Nicht belastbar. Es sind die problematischen Sonderfälle. Es wäre wirklich schön, wenn sie anders wären, einfach ganz normal. Nicht so elend kompliziert. Man bemüht sich um sie. Man beseelsorgt sie. Man empfiehlt ihnen dringend eine Psychotherapie. Man ist sehr skeptisch: Sie werden nicht zurecht kommen im Leben. Sie sind nicht beziehungsfähig. Nicht teamfähig. Nicht tragfähig. Nicht belastbar.

Warum eigentlich lautet der Wochenspruch nicht so: „Er wird das geknickte Rohr stabilisieren und den glimmenden Docht zur hellen Flamme werden lassen“? Warum nur Schutz und Schonung statt Heilung? Weil Gott tatsächlich nicht mehr tut als das. Er tastet unsere Würde nicht an. Er entmündigt uns nicht.

Gnade ist Ermöglichung des Lebens. Gnade ist gewährter Lebensraum. Jeder Atemzug ist Gnade. Dass ich mich bewegen kann. Dass ich denken und entscheiden kann. Gnade ist die allgegenwärtige Bestätigung meines Daseins, das unumschränkte Ja zu meinem Leben hier und jetzt. Es ist gut so, wie ich heute bin, ob geknickt oder nicht. Ich bin willkommen in diesem neuen Tag, in dieser neuen Woche. Es ist gut, dass es mich gibt, so, wie ich jetzt gerade bin.

Das ist garantiert: Gott hat kein Problem damit, dass wir Probleme haben. Er bestraft das geknickte Rohr nicht dafür, dass es geknickt ist. Er belastet es nicht noch zusätzlich. Dann würde es vollends brechen. Darauf dürfen wir uns verlassen: Das tut Gott nicht. Wir Menschen tun es, leider. Wir tun es mit uns selbst: Wir sind geknickt, enttäuscht und traurig, und haben unsere guten Gründe dafür. Wir brauchen dringend Trost. Aber wir nehmen uns selbst nicht ernst. Wir reagieren hart auf unser starkes Bedürfnis. Wir entziehen uns selbst die Lebensfreude. Wir verweigern uns dem Leben. Und wir speisen uns ab mit billigen Ersatzbefriedigungen, die das Bedürfnis durchaus nicht stillen. Wir sind nicht fair zu uns selbst. Nicht freundlich und liebevoll, so wie wir es bräuchten. Und so gehen wir auch mit anderen Geknickten um: Wir werden ungeduldig. Wir akzeptieren sie nicht mehr so, wie wir sind. Erst müssen sie unsere Bedingungen erfüllen. Sonst sind sie nicht in Ordnung.

Was stärkt dich heute, geknicktes Rohr? Was lässt die Flamme der Lebensfreude in der aufleuchten? Was stärkt und ermutigt deinen geknickten Mitmenschen? Gott will, dass wir diese Frage ernst nehmen und jeden Tag neue eine wirklich gute Antwort darauf finden. Gott mutet uns das zu, denn er traut es uns zu.

Hans-Arved Willberg

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10. Sonntag nach Trinitatis

Wochenspruch: „Wohl dem Volk, dessen Gott der Herr ist, dem Volk, das er zum Erbe erwählt hat.“ Psalm 33,12

Leitmotiv: Israel und die Kirche

Nimmt da nicht einer den Mund ein bisschen zu voll? Es hängt davon ab, was er unter dem Erbe versteht. Was hat Gott Israel vererbt? Was erben die Christen? Nicht den Machtanspruch. Nicht den Wohlstandsanspruch. Nicht den Auftrag, die Ungläubigen auszurotten. Auch nicht den Auftrag, sie zum rechten Glauben zu bekehren und, wenn das nicht gelingt, sie distanziert als sichere Höllenkandidaten zu betrachten und ihnen einerseits aus mehr oder weniger aus dem Weg zu gehen, andererseits sie doch auch weiter zu bekneten, damit sie doch endlich zur Einsicht des wahren Glaubens kommen mögen.

Was also erben wir? Die Haltung. Die Werte. Für die Haltung kennt die Bibel eine Fülle von Begriffen dafür, die alle in dem einen zusammengefasst sind: Liebe. Liebe konkret, Liebe im Alltag. Liebe in kleiner Münze, Liebe buchstabiert. Gott hat es vorgemacht: Das Wort von der Liebe wurde Fleisch, nahm Menschengestalt an, Knechtsgestalt, kam in die konkrete Lebenswirklichkeit hinein, um sich als wahrhaftig zu erweisen. Die großen Töne erben wir nicht, aber die kleine Verlässlichkeit mit der großen Wirkung. Zum Beispiel einmal wirklich zuzuhören.

Eine unverbrüchlich bejahende Einstellung zum Leben, unserem eigenen, dem unserer Mitmenschen und dem der ganzen Welt erben wir: Vertrauen, Liebe, Hoffnung. Einen Fortschrittsglauben erben wir, der vor der Macht des Bösen niemals resigniert. Den Auftrag erben wir, das Böse durch Gutes zu überwinden. Das ist Erwählung: Zur Liebe berufen sein.

Hans-Arved Willberg

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Wort zur Woche

9. Sonntag nach Trinitatis

Wochenspruch: „Wem viel gegeben ist, bei dem wird man auch viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man um so mehr fordern.“ Lukas 12,48

Leitmotiv: Die anvertrauten Gaben

Vor mein Arbeitszimmerfenster habe ich drei Rosen gepflanzt. Die ersten selbstgepflanzten Rosen meines Lebens. Als ich sie kaufte, blühten sie wunderschön. Natürlich verwelkten die Blüten bald. Ich holte mir eine Anleitung zur Rosenbehandlung und beschnitt sie recht und schlecht. Und wartete. Jetzt bin ich begeistert: Überalle neue Knospen! Drei sind schon aufgegangen.

Diesen Rosen sind viele Knospen gegeben. In diesen Knospen steckt ein fantastisches Potenzial. Ich suche viel bei ihnen, denn ihnen ist viel gegeben.

Ich bin eine Rose. Ich habe Gaben. Mir ist viel gegeben. Mir ist viel anvertraut. Mir ist viel zugemutet. Mein Potenzial soll sich entfalten. Dafür lebe ich. Mein Schöpfer ist der wahre Gärtner. Er weiß genau, was er abschneiden muss, damit mein Potenzial die bestmöglichen Voraussetzungen zur Entfaltung hat.  Er traut mir zu, dass ich genau dieses eine Leben hier meistere, so wie es mir gegeben ist. Genau in diesem Horizont, genau mit diesen Gaben und Begrenzungen. „Du schaffst das!“, sagt er zu mir, auch und gerade, wenn ich denke: Das ist doch viel zu schwer! Was mir anvertraut ist, das ist mir auch zugetraut.

Hans-Arved Willberg

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