10. Sonntag nach Trinitatis
Wochenspruch: „Wohl dem Volk, dessen Gott der Herr ist, dem Volk, das er zum Erbe erwählt hat.“ Psalm 33,12
Leitmotiv: Israel und die Kirche
Nimmt da nicht einer den Mund ein bisschen zu voll? Es hängt davon ab, was er unter dem Erbe versteht. Was hat Gott Israel vererbt? Was erben die Christen? Nicht den Machtanspruch. Nicht den Wohlstandsanspruch. Nicht den Auftrag, die Ungläubigen auszurotten. Auch nicht den Auftrag, sie zum rechten Glauben zu bekehren und, wenn das nicht gelingt, sie distanziert als sichere Höllenkandidaten zu betrachten und ihnen einerseits aus mehr oder weniger aus dem Weg zu gehen, andererseits sie doch auch weiter zu bekneten, damit sie doch endlich zur Einsicht des wahren Glaubens kommen mögen.
Was also erben wir? Die Haltung. Die Werte. Für die Haltung kennt die Bibel eine Fülle von Begriffen dafür, die alle in dem einen zusammengefasst sind: Liebe. Liebe konkret, Liebe im Alltag. Liebe in kleiner Münze, Liebe buchstabiert. Gott hat es vorgemacht: Das Wort von der Liebe wurde Fleisch, nahm Menschengestalt an, Knechtsgestalt, kam in die konkrete Lebenswirklichkeit hinein, um sich als wahrhaftig zu erweisen. Die großen Töne erben wir nicht, aber die kleine Verlässlichkeit mit der großen Wirkung. Zum Beispiel einmal wirklich zuzuhören.
Eine unverbrüchlich bejahende Einstellung zum Leben, unserem eigenen, dem unserer Mitmenschen und dem der ganzen Welt erben wir: Vertrauen, Liebe, Hoffnung. Einen Fortschrittsglauben erben wir, der vor der Macht des Bösen niemals resigniert. Den Auftrag erben wir, das Böse durch Gutes zu überwinden. Das ist Erwählung: Zur Liebe berufen sein.
Hans-Arved Willberg