Wort zur Woche

8. Sonntag nach Trinitatis

Wochenspruch: „Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“ Epheser 5,8.9

Leitmotiv: Die Wirkung des Glaubens im Leben

„Werdet wie die Kinder“, sagt Jesus. „Lebt als Kinder“, sagt der Wochenspruch. Im ersten Fall ist das Kindsein Ideal, im zweiten ist es Vorgabe. Durch den Glauben sind wir zu Kindern Gottes geboren. Wer als Kind geboren ist, muss nicht erst noch Kind werden. Wer als Mensch geboren ist, muss nicht erst noch Mensch werden. Oder doch?

Wir können uns ja auch vom Kind zum Unmenschen entwickeln. Ist das nicht wirklich unser Problem? Nicht, dass wir als Erwachsene schlechthin unmenschlich wären. Aber wir sind es in mancher Hinsicht. Und damit machen wir uns alle schweren zwischenmenschlichen Konflikte.

Weil wir keine Kinder sein wollen. Damit meinen wir: Bloß keine Schwäche zeigen! Immer groß und wichtig tun. Macht besitzen und Kontrolle ausüben. Eine makellose Leistungsbilanz aufweisen. Keine Zeit haben. Wir legen die Kindlichkeit ab, als wäre es eine peinliche Spielhose, aus der wir längst herausgewachsen sind. Wir sind nicht mehr ehrlich. Wir kontrollieren unsere Gefühle übergenau.

Verständlich ist das schon.  Denn alle diese Eigenschaften haben eine schmerzliche Distanz zwischen den Erwachsenen und uns bewirkt, als wir selbst noch Kinder waren. Das hat sie uns so fremd gemacht. Wir haben sie nicht verstanden und sie haben uns nicht verstanden. Sie hatten andere Probleme als wir. Und sie vermittelten uns sehr deutlich, dass ihre Probleme die eigentlichen, wirklich bedeutsamen waren, im Vergleich zu unserem Kinderkram. Wir lernten: Diese fremde Erwachsenenwelt ist die wichtige Welt. Diese Probleme muss man haben, sonst ist man kein vollwertiger Mensch. Also ahmten wir die Erwachsenen nach und wurden so wichtigtuerisch und humorlos wie sie.

Zum Beispiel vertauschten wir unsere kindlichen Sinn für wahre Komik mit blöden, angeberischen Witzen. Denn wir lernten: Wenn du zu jeder Zeit einen reißerischen Witz erzählen kannst, dann bist du wer. Dann bist du wichtig. Je mehr sie grölen, desto wichtiger. Und besonders pfiffig erwachsen und überaus humorlos ist: Das lässt sich sehr gut vermarkten. Unterhaltungsindustrie sagt man zu diesem globalen Produktionsmonster der Fließbandproduktion verkitschter und verstümmelter Gefühlsplagiate Erwachsener.

Das Programm des christlichen Glaubens ist anders.  Wenn wir es leben, geht viel Gutes daraus hervor. Menschliches.

Hans-Arved Willberg

Veröffentlicht unter An(ge)dacht | Schreib einen Kommentar

Wort zur Woche

7. Sonntag nach Trinitatis

Wochenspruch: „So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.“ Epheser 2,19

Leitmotiv: Tischgemeinschaft mit Gott

Bei Gott daheim. „Nun, so will ich wallen meinen Pfad dahin, bis die Glocken schallen und daheim ich bin.“ Diese Strophe aus dem Lied „Stern, auf den ich schaue“, haben wir daheim oft gesungen. Das ist tief eingeprägt. Das ist mir sehr vertraut. Ich liebe dieses Lied und möchte, dass es bei meiner Beerdigung gesungen wird.

So wie ich die Glocken liebe. Gestern abend, als das Geläut der katholischen Kirche unten im Dorf zur Messe rief. Ganz unverschämt in den stillen Sommerabend hinein. Das war kein Störgeräusch wie so viele andere Töne. Das war heimatlich. Das liebe ich an unserer Heimat:  Dass die Kirche noch im Dorf steht. Dass die Glocken es noch wagen, sich aus Dank und Freude zu wiegen und zu schütteln. Bei allem Respekt für die islamische Kultur, bei allem Zauber aus tausendundeiner Nacht, der mich anhaucht, wenn der Muezzin in die Stille des Abends hinein zum Gebet ruft: Damit wollte ich nicht tauschen.

Heimat. Das Wort ist so erbärmlich verkitscht. Und doch spricht es mich so sehr an. Weil es meine allergrößte Sehnsucht ausspricht. Und weil es meinen Dank zum Klingen bringt. Daheim sein dürfen. Ein menschenwürdiges Zuhause haben. Einen Ort, an den ich immer neu am allerliebsten zurückkomme. Um den meine Gedanken liebevoll kreisen, wenn ich in der Ferne bin.

Wie furchtbar ist das, wenn Menschen kein Zuhause haben. Oder ein Zuhause, in dem Krieg ist. Wie tragisch ist es, wenn Menschen ihr Zuhause nicht erkennen. Wenn sie am gedeckten Tisch verhungern, weil sie nicht glauben, dass es gut ist und sie wirklich satt macht, was sie dort sehen. Weil sie nicht glauben, dass es gratis ist. Dass sie einfach zugreifen und genießen dürfen, dieses Leben, wie es ist.

„Gratis“ kommt von „Gratia“ und das heißt „Gnade“. Dieses eine Leben ist ein Geschenk, hier und jetzt. Auch wenn es schwer ist. Dann ist es eben ein Geschenk, dem der Wert erst abgerungen werden muss. Um erst recht als Geschenk erkannt und geliebt zu sein. Dorthin rufen die Glocken: Der Tisch ist gedeckt. Freue dich deines Lebens.

Hans-Arved Willberg

Veröffentlicht unter An(ge)dacht | Schreib einen Kommentar

Wort zur Woche

Trinitatis

Wochenspruch: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth; alle Lande sind seiner Ehre voll.“ Jesaja 6,3

Leitmotiv: Der dreieinige Gott

Dreimal heilig. Heilig als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Ein erhebendes Lied. Wichtiger Bestandteil der Abendmahlsliturgie. „Erhebt eure Herzen“, sagt der Liturg. „Wir erheben sie zum Herrn“, antwortet die Gemeinde. Dann folgt ein erhebendes Gebet. Und dann wird das „Sanctus“ gesungen, das „Heilig, heilig, heilig“. Der vertonte Wochenspruch.

Wir fühlen uns erhoben durch diesen Lobgesang. Ein Stüfchen nach oben versetzt, ein wenig näher der mystischen Vereinigung mit Gott. Wie in den barocken Kirchen: Der Blick geht nach oben, und in der Kuppel sitzen die seligen noch Erhabeneren und immer noch Verklärteren und ganz, ganz oben ist die Heilige Dreifaltigkeit. Der Lobgesang bringt uns näher dorthin. Und das nennen wir Gottesdienst. Je mehr Entrückung da hinauf, desto besser der Gottesdienst. Den Sorgen enthoben.

Das ist die eine Seite. Ich mag sie nicht in Abrede stellen. Aber Glaube ist ein dialektisches Phänomen. Ohne Tiefe gibt es keine Höhe. Und die Tiefenerfahrung steht am Beginn der trinitarischen Lobgesanggeschichte. Bei Jesaja.

Der sucht die Verwirklichung seines Lebenstraumes im Tempel und erfährt sein Lebenstrauma. Er sieht Gott, den keiner sehen kann. Er begegnet der Sonne. Er spürt die Flammen. Der Rauch umfängt ihn schon. Er schreit in Todesangst: „Weh mir, ich vergehe!“ Diese Heiligkeit vernichtet ihn.

Gewaltige Engelwesen bedrängen ihn. Sie singen nicht, sie rufen. Ihre Stimme dröhnt so mächtig, dass die Wände zittern: „Heilig, heilig, heilig“. Starkstrom um und um. Tödliches Feuer. Jesaja weiß: Ich passe hier nicht hin. Ich habe hier nichts zu suchen. Aber ich komme auch nicht mehr raus. „Weh mir, ich vergehe!“

Es kommt noch schlimmer. Einer von den Engeln bewegt sich auf ihn zu. Das letzte bisschen Abstand, der Raum, in dem er jetzt noch atmen konnte, schwindet. Nun schnürt die Angst ihn völlig ein. Der Engel reicht ihm keine Erfrischung, sondern stopft ihm den Mund mit einer glühenden Kohle. Das ist der blanke Horror. Jetzt wird ihm wirklich aller Atem geraubt. Er muss in qualvollem Schmerz ersticken.

Spätestens hier müsste Jesaja schweißgebadet aus seinem Albtraum erwachen. Aber nein: Auf einmal wird es tröstlich still. Der Engel hat sich zum Freund gewandelt. Jesaja ist willkommen an diesem Ort. „Gegrüßet seist du, Auserwählter!“ Und dann wird er zum Propheten berufen. Er wird verkünden, was er selbst erlebte: Schrecken und Trost.

Niemand wird Christ, um den Albtraum des Jesaja zu erleben. Wir suchen das Erhabene. Wir wollen etwas Besonderes sein, den Sorgen enthoben, auf pneumatischen Wolkenkissen des Heiligen Geistes ruhend allmählich auffahren gen Himmel, dem Heiligen Vater zu, uns hinaufwinden mit Adlersschwingen bis zu guten Ränge in erlauchter Gesellschaft dort oben im grandiosen himmlischen Schauspiel. Es kann sehr anders kommen.

„Weh mir, ich vergehe!“ schreit Jesaja. „Kümmert es dich nicht, dass wir jämmerlich ertrinken!“ brüllen die Jünger Jesu ihren Meister an, der aus unerklärlichem Grund trotz höchster Todesnot nicht wachzukriegen ist.  Das ist definitive Gottverlassenheit im Angesicht des sicheren Todes unter extrem traumatischen Umständen. Das hat kein Glaubender im Programm. Vieles wird Gott zulassen, aber das doch nicht! Doch, gerade so etwas. Gerade das, was wir uns nie vorgestellt hätten.

Wahrscheinlich unterscheidet das die echten von den falschen Propheten. Die falschen singen bekanntlich ihr dreifaltiges „Friede, Friede, Friede“, wo doch kein Friede ist. Die echten übertünchen nichts. Sie halten aus, was nicht auszuhalten ist. Sie glätten nicht, sie rechtfertigen nicht, sie machen sich keinen Reim, wo keiner ist. Sie vergehen mit Hiob im Leid. Sie schreien und wimmern mit aller leidenden Welt das unendliche „Mein Gott, mein Gott, warum!“ Nicht, weil sie das gern wollen. Nicht, weil sie so erhaben tapfer sind, strahlende Heldenfiguren des Glaubens. Sondern weil sie ganz einfach selbst betroffen sind.

Gott, der Vater, mutet es zu. Gott, der Sohn, ist der Hauptbetroffene. Gott, der Heilige Geist, bringt es uns bei. Auf seine wunderliche Weise: So, dass es still wird, mitten drin, und wahrer Trost aufkommt. Unbegreiflicher Friede. Tiefe, durch und durch beglückende Freude. Mitten drin Aufrichtung, Bestätigung, Würdigung, Stärkung, Anerkennung. Mitten drin: Berufung.

Da wird dreimal Friede aus dem dreimal heilig: Ich weiß, wofür ich lebe. Ich bin begnadigt und begnadet. Darum gehe ich meinen Weg und lasse nicht ab.

Hans-Arved Willberg

Veröffentlicht unter An(ge)dacht | Schreib einen Kommentar

Wort zur Woche

Pfingsten

Wochenspruch: „Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth.“ Sacharja 4,6

Leitmotiv: Der Heilige Geist

„Zebaoth“ ist hebräisch und heißt „Heerscharen“. So spricht der Herr der Heerscharen. Der sagt, dass es nicht durch Heere geschehen soll. Was soll geschehen? Friede.

Heerscharen stehen mit dem Tod im Bund. Sie drohen mit dem Tod und sie bringen ihn.  Heerscharen sind den Mächtigen verpflichtet. Sie sichern ihre Macht und breiten sie aus.

Eine neue Zeit ist angesagt, spricht der Herr der Heerscharen vor 2.500 Jahren durch seinen Boten, den Propheten. Es war genug des Mordens im Namen göttergleicher Führer. Babylon hatte die Welt platt gewalzt. Wie eine riesige Planierraupe, die radikal alles einebnet. Mann und Maus. Um ein neues Ultraimperium zu errichten.

Wann wird man je verstehn? Obwohl doch damals schon das Ultimum der Bestialität erreicht war, hörten wir nicht hin und hörten wir nicht auf. Wir behielten das Planierraupenmodell bei. Plattwalzen. Endloser Wettbewerb des selbstgerechten Menschenrichtens  und Menschenhinrichtens mit immer neuen Ideen und Varianten. Wenn wir das, was in Kriegen verpulvert wurde, in Frieden investiert hätten… Nicht auszudenken. Wie schön wäre die Welt!

Das Verrückte ist: Es geht! Zigmal an jedem Tag entscheiden wir selbst, du und ich, in aller Freiheit über Frieden oder Krieg. Und jedesmal, wenn wir für Frieden entscheiden, beweisen wir, dass es geht. Wir müssen nur weitergehen.

Seit Pfingsten ist es amtlich: Verständigung statt Kommunikationsverwirrung! Angstfreies Miteinander statt babylonische Zwangsherrschaft! Wahrer Friede statt Friedhöflichkeit!

Das müssen wir begreifen: Die seltsamen neuen Sprachen des Pfingstereignisses sind unsere Muttersprache. Das ist die Einheitssprache des Verstehens und Verständigens. Die Einigungssprache des Respekts und der Ehrlichkeit. Die zarte Sprache der Verletzlichkeit. Emfinden, Mitempfinden, Hören, Zuhören. Achtsam sein. Signale ankommen lassen. Urteile behutsam reifen lassen statt Vorurteile bestätigen und züchten. Die Sprache der Liebe.

Dafür steht Pfingsten. Das will der Heilige Geist.

Der Herr der Heerscharen hat offenbar beschlossen, die Kriegstreiberei definitiv zu beenden.  Manchmal scheint das nicht anders als durch kriegerische Mittel möglich zu sein. Gadaffi lässt nicht ab, sein Volk dahinzumorden, wenn er nicht dazu gezwungen wird. Es ist Zynismus zu sagen, dies sei ein innerlibysches oder binnenafrikanisches Problem. Genauso wie es zynisch war, die Beendigung des Judenmordes als eine binnendeutsche Aufgabe anzusehen. Solcher Pseudopazifismus ist nicht der Geist von Pfingsten. Manchmal ist Gegengewalt das geringere Übel. Leider, weil die Dummheit noch so weit verbreitet ist.

Noch. Das Reich Gottes kommt. Es ist schon angebrochen. Und es kommt der Tag, an dem der Herr der Heerscharen seine Heere definitiv nachhause schicken wird. Oder ihnen einen neuen Job des Friedens gibt: Schwerter zu Pflugscharen…

Das Reich Gottes, das ist die Herrschaft wahren Friedens. Da ist es einfach nur großartig, Mensch zu sein und sich als Mensch entfalten zu können, in der großartigen Gemeinschaft lauter wunderbarer Mitmenschen, die so ganz anders sind und mit denen wir uns doch zutiefst verbunden wissen, als dankbare Bewahrer, Entdecker, Genießer und Verwalter einer großartigen Natur. Das ist unsere Freude, das ist unsere Zukunft.

Hans-Arved Willberg

Veröffentlicht unter An(ge)dacht | Schreib einen Kommentar

Predigt zum Thema „Abschied“

Predigt zum Himmelfahrtsfest über 1. Könige 8,22-24.26-28

Ort: Ev. Johannis-Paulus-Gemeinde, Karlsruhe-Südstadt. Inhalt: An der Schwelle zur Ewigkeit erfahren wir leidvoll wir die Diskrepanz zwischen der Sehnsucht nach dem jenseitigen Frieden und dem Kreuz in unserer Diesseitigkeit. Trost finden wir in der Diesseitigkeit Gottes, der sich in seinem Kreuz mit unserem verbindet.

Veröffentlicht unter Predigten und Vortr | Schreib einen Kommentar

Wort zur Woche

Exaudi

Wochenspruch: „Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“Johannes 12,32

Leitmotiv: Die wartende Gemeinde

Es gibt passives und aktives Warten. Die Doppelbedeutung des Wortes bringt das sehr klar zum Ausdruck: Warten als auf Empfang gerichtetes Er-warten und Warten als Pflege, wie in den Substantiven „Wartung“ und „Wärter“. Warten im Nehmen und Geben. Negativ gesprochen: Warten als Opfer und Täter.

Das Opfer-Warten in Beziehungen verlangt die Initiative vom anderen. Das Täter-Warten ergreift sie selbst und pflegt des eigenen Interesses wegen die Beziehung. Das Opfer-Warten macht krank. Das Täter-Warten macht gesund. Ich nehme an, dass die meisten scheiternden Beziehungen durch das Opfer-Warten in die Brüche gehen.

Das Opfer-Warten hat einen Scheinvorteil: Ich bin bedauernswert und du bist schuld. Stimmt, du bist wirklich bedauernswert. Aber nicht, weil der andere schuld ist, sondern weil du nicht aus deiner Opfer-Haltung heraustrittst.

Wenn Jesus „Zu-mir-ziehen“ sagt, meint er kein intergalaktisches In-den-Himmel-Beamen. Er meint Liebe, erfahren als Anziehungskraft. Mit dem Fremdwort: Attraktivität. Die tiefe Attraktivität der wahren Heimat. Die Attraktivität des verlässlichen Zuhauses, die den Verlorenen Sohn zur Umkehr bewegt.

Der verlässt die Opfer-Haltung. Der bleibt nicht länger im Elend sitzen. Er steht auf. Er macht sich auf den Weg. Mit einer sehr realistischen Perspektive: Tagelöhner zu sein ist besser als Bettler zu sein. Das geringere Übel. Ich verlasse die Opfer-Haltung, wenn ich mich bewege. Wenigstens vom größeren Übel hin zum geringeren. Diese kleinen Schritte sind immer möglich. Wer weiß, was sich auf dem Weg dann noch alles auftut.

Da wirst du gezogen, gerufen von der Hoffnung. Das ist Gottes großes Himmelfahrtsprogramm: Alle zu sich ziehen. Aus dem Elend in die Hoffnung. Aus dem Nein ins Ja. Aus dem Selbstmitleid in die neue Freude am Leben.

Hans-Arved Willberg

Veröffentlicht unter An(ge)dacht | Schreib einen Kommentar

Predigt zum Thema „Gebet“

Predigt zum Sonntag Rogate über Lukas 11,5-13

Ort: Ev. Johannis-Paulus Gemeinde, Karlsruhe-Südstadt. Inhalt: Jesus sagt, dass wir den Heiligen Geist bekommen, wenn wir uns im Gebet Gott anvertrauen. Was das bedeutet und welche Schwierigkeiten dabei zu überwinden sind.

Veröffentlicht unter Predigten und Vortr | Schreib einen Kommentar

Wort zur Woche

Rogate

Wochenspruch: „Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet.“ Psalm66,2

Leitmotiv: Das Gebet

Worum soll es mir gehen in meinem Gebet? Muss ich Gott bewegen dadurch, weil er sich sonst nicht bewegen würde? Oder sich an mir vorbei bewegen würde oder fort von mir. Oder gar gegen mich wie eine Planierraupe, die einebnet, was ihr im Weg steht? Muss ich beten, um mich vor Gott zu behaupten? Wie vertraut ist mir der Gedanke, aber wie unsinnig ist er auch.

Darum die Doppelung: Er verwirft mein Gebet nicht, aber er wendet auch seine Güte nicht von mir ab. „Mein lieber Hans-Arved“, sagt er mir, „ob du betest oder nicht: Ich bleibe dir immer gleich zugewandt. Du kannst dich auf mich verlassen. Ich bin für dich und bleibe es.“

Wenn Du jetzt denkst: „Okay, dann brauche ich ja gar nicht zu beten“, dann lass dich bitte mal ganz kurz und freundlich am Ärmel fassen, für einen Augenblick der Besinnung: Was für ein Modell vom Beten hat sich da in Dir eingenistet? Beten als Einflussnahme auf Gott zu Deinen Gunsten? Ich frage das nicht von oben herab, weil ich diese Einstellung von mir selbst sehr gut kenne.  Ich mag sie nicht mehr. Das ist magisches Gebetsverständnis.

Dahinter steckt die Angst: Wenn ich nicht bete, wird Gott beleidigt sein. Wenn ich nicht bete, komme ich zu kurz. Ich muss mich durchsetzen bei Gott mit meinem Gebet, wie ein Vögelchen im Nest, das den Schnabel noch weiter aufreißt als die anderen, noch lauter plärrt, sich noch wichtiger tut. Ich habe mich mit dieser Gebetseinstellung wütend und depressiv gemacht. Denn ich habe erfahren, dass sie nicht funktioniert. Das kommt nicht aus der Dankbarkeit. Es steht kein ehrliches „Gelobt sei Gott“ dahinter. Der Gott, der mich wirklich und vorbehaltlos liebt, kann das nicht bestätigen. Menschlich gesprochen: Das enttäuscht ihn wirklich. „Was machst du für ein Geschrei?“ fragt er zurück. „Was tust du dich so wichtig? Warum hast du solche Angst vor mir? Habe ich dir nicht versprochen, dass ich meine Güte nicht von dir wende?“

Wenn die magische Einflussnahme aus Angst vor dem Zukurzkommen wegfällt, dann bekommt das Beten eine andere Qualität. Das Vögelchen kann nicht nur angstvoll plärren, es darf sein Schnäbelchen auch zum Singen verwenden. Es ist gut, dass der Sonntag „Rogate“ nach dem Sonntag „Kantate“ kommt. Singt dem Herrn ein neues Lied. Betet singend. Stimmt in den Ton der Dankbarkeit ein. Traut euch zu leben. Geht auf in eurer Berufung. Wie die Amsel auf dem Giebel. Sie versteckt sich nicht. Sie singt. Sie ist erfüllt von Gesang. Sie preist den Schöpfer und tröstet das Geschöpf. Gibt es etwas Ermutigenderes in der Natur als ihr frisches Lied am frühen Morgen? Und etwas Friedlicheres als ihr Tagesschlusskonzert bei Sonnenuntergang? So sei dein Gebet.

Hans-Arved Willberg

Veröffentlicht unter An(ge)dacht | Schreib einen Kommentar

Predigt „Wie aus Paaren Partner werden“

“Wie aus Paaren Partner werden”

Predigt H.A. Willberg im Gottesdienst von „daheim in mannheim“ am 21.05.2011. Ort: Cafè Sammo, Mannheim City. Ambiente: Offene Tür und Mannheimer Nachtmarathon direkt davor. Predigtbeginn: Ca. 22.00 Uhr. Interessante Predigterfahrung…

Veröffentlicht unter Predigten und Vortr | Schreib einen Kommentar

Wort zur Woche

Kantate

Wochenspruch: „Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.“ Psalm 98,1

Leitmotiv: Die singende Gemeinde

Was ist das: „ein neues Lied“? Was ist das: „neu“? Neu schien es zu sein, den Gottesdiensten Lobpreiszeiten einzufügen. Was in charismatischen Kreisen begann, hat sich in alle möglichen Richtungen ausgebreitet. Mit „neuem“ Liedgut, „neuem“ Stil. Gemeindeerneuernd.

Das Paradigma der Lobpreiszeiten scheint mir den Popkonzerten entnommen zu sein. Da spielt eine Band. Sie macht Stimmung. Sie bewegt etwas im Auditorium, sucht den Dialog. Sie will Ergriffenheit erzeugen. Sie beschwört den Zauber der Einheit. Ziel ist ein Hochgefühl. Ekstase ist erwünscht. Je mehr, desto besser.  Hinreißende und mitreißende Performance. Sorgen vergessen im Bad der Musik und der Menge Gleichtickender, in der Nähe angehimmelter Stars. Ansatzweise nur findet sich das alles im bescheidenen Aneinanderfügen von sentimentalen Popsongs des durchschnittlichen Gottesdienstes, ausgeprägt in der perfekten Bühnenshow einiger charismatischer Protagonisten.

Ich kenne das alles zur Genüge. Ich gehöre zur Flower-Power-Generation der 60er und 70er Jahre. Das war schon eine neue Musik, weil noch nie dagewesen. Interessanterweise übrigens mit starken Wurzeln in der seinerzeit ebenso neuen afroamerikanischen Spiritual- und Gospelmusik. Die farbigen Amerikaner hatten dem Herrn ihr neues Lied gesungen. Das stand am Anfang der neuen Epoche unserer modernen Popularmusik. Aber der Anfang ist schon eine Weile her und die atemberaubende Neuerfindung elektrisch verstärkter Instrumente hat längst ihre originäre Faszination verloren. Die Musikindustrie hat durch die Mittel der Massenfertigung einen nicht enden wollenden Schwall von Neuproduktionen erzeugt, deren gemeinsames Charakteristikum darin besteht, nicht wirklich neu zu sein, sondern nur neu aufbereitet, um wenigstens neu aufzufallen. Was aus der Masse herausragt, muss noch auffälliger sein als das Bisherige. Das wird vor allem durch noch höheren Aufwand erreicht, finanziell und technisch.

So großartig die Performance auch sein mag, so gewöhnlich ist sie auch. Ich bin sie allzu gewöhnt.  Mir ist nach Neuerem. Die Dominanz des Pop-Paradigmas in christlichen Kreisen scheint mir mehr assimilierende Reaktion auf den Mainstream zu sein als herausfordernd neue musikalische Antwort auf die Wunder Gottes. Wunder sind Außergewöhnlichkeiten, mithin auch Anstößigkeiten. Denkanstöße. Wunder kommen quer. Wie mag sich Musik in der Kirche anhören, die vom Wunderbaren und Wundersamen der Wege Gottes durchtönt ist? Bekanntlich sind die Wege Gottes weniger Mainstream als schmaler Pfad. Und in der Regel bedürfen die Wegweisungen Gottes des aufmerksamen Hinhörens.

Die neuen Wege Gottes sind von jeher gewöhnungsbedürftig, und immer, wenn sie ihre Außergewöhnlichkeit verlieren, erneuern sie nicht mehr. Es bleiben bequeme Bahnen der Tradition, mag sie sich auch noch so fortschrittlich geben – Fortschrittstraditionalismus: Alles bleibt beim Alten, indem immer Neues produziert wird. Fließbandtraditionalismus. Wahre neue Wunder geschehen dort nicht mehr. Damit es nicht langweilig wird, werden darum alte Wunder reinszeniert. Oder das, was man dafür hält.

Wahre Wunder erregen unser Aufsehen, indem wir den Blick wieder nach oben richten. Indem uns wieder bewusst wird, dass es Höheres gibt als Masse. Wenn die Masse die Norm gibt, ist das Höhere unpopulär.

Es hat mir gefallen, was Ian Anderson, in die Jahre gekommenes legendäres Haupt der Kultband Jethro Tull, die in den 60er Jahren zu den Innovatoren des Electric Blues gehörte,  tat und sagte, als er im Schwetzinger Schloss, einem außergewöhnlichen Zentrum musikalischen Fortschritts in Spätbarock und früher Klassik,  im unzähligen Konzert zum unzähligsten Mal den Hit „Bourrée“ von einer ihrer ersten Platten ansagte – die verjazzende Rezeption eines Stücks für Laute von J.S. Bach. Ian Anderson streckte Arm und Zeigefinger zum Himmel hinauf und erwies dem großen Meister bescheiden seine Reverenz.

In der Tat: So gut es mir gefallen hat bei Jethro Tull, es gibt Höheres. Andersons Hinweis war angemessen: Es gibt wahrlich Größeres und Besseres als Jethro Tull, und er Unterschied ist durchaus himmelweit. Es gibt Bewundernswertes. Horizonterweiterung. Musik, die neu das Wundern lehrt. In der sich etwas spiegelt vom Glanz göttlicher Majestät, ihres Schreckens und ihrer Schönheit. Musik, die nicht nur mitreißt, sondern die auch mitnimmt.

Hiob fand aus der tiefsten Lebenskrise neu zu sich selbst und zu Gott, als der Wettersturm sein Aufsehen erregte. Er hörte die Stimme Gottes heraus. Er blickte auf. Er sah die Welt mit neuen Augen. Und neu wandte er sich ihr zu, neu dem Leben, derselbe Hiob, der den Tag seiner Geburt verflucht hatte. Das Hiobswunder. Davon singt das neue Lied. Dahin nimmt es mit.

Hans-Arved Willberg

Veröffentlicht unter An(ge)dacht | Schreib einen Kommentar