Wort zur Woche

Trinitatis

Wochenspruch: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth; alle Lande sind seiner Ehre voll.“ Jesaja 6,3

Leitmotiv: Der dreieinige Gott

Dreimal heilig. Heilig als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Ein erhebendes Lied. Wichtiger Bestandteil der Abendmahlsliturgie. „Erhebt eure Herzen“, sagt der Liturg. „Wir erheben sie zum Herrn“, antwortet die Gemeinde. Dann folgt ein erhebendes Gebet. Und dann wird das „Sanctus“ gesungen, das „Heilig, heilig, heilig“. Der vertonte Wochenspruch.

Wir fühlen uns erhoben durch diesen Lobgesang. Ein Stüfchen nach oben versetzt, ein wenig näher der mystischen Vereinigung mit Gott. Wie in den barocken Kirchen: Der Blick geht nach oben, und in der Kuppel sitzen die seligen noch Erhabeneren und immer noch Verklärteren und ganz, ganz oben ist die Heilige Dreifaltigkeit. Der Lobgesang bringt uns näher dorthin. Und das nennen wir Gottesdienst. Je mehr Entrückung da hinauf, desto besser der Gottesdienst. Den Sorgen enthoben.

Das ist die eine Seite. Ich mag sie nicht in Abrede stellen. Aber Glaube ist ein dialektisches Phänomen. Ohne Tiefe gibt es keine Höhe. Und die Tiefenerfahrung steht am Beginn der trinitarischen Lobgesanggeschichte. Bei Jesaja.

Der sucht die Verwirklichung seines Lebenstraumes im Tempel und erfährt sein Lebenstrauma. Er sieht Gott, den keiner sehen kann. Er begegnet der Sonne. Er spürt die Flammen. Der Rauch umfängt ihn schon. Er schreit in Todesangst: „Weh mir, ich vergehe!“ Diese Heiligkeit vernichtet ihn.

Gewaltige Engelwesen bedrängen ihn. Sie singen nicht, sie rufen. Ihre Stimme dröhnt so mächtig, dass die Wände zittern: „Heilig, heilig, heilig“. Starkstrom um und um. Tödliches Feuer. Jesaja weiß: Ich passe hier nicht hin. Ich habe hier nichts zu suchen. Aber ich komme auch nicht mehr raus. „Weh mir, ich vergehe!“

Es kommt noch schlimmer. Einer von den Engeln bewegt sich auf ihn zu. Das letzte bisschen Abstand, der Raum, in dem er jetzt noch atmen konnte, schwindet. Nun schnürt die Angst ihn völlig ein. Der Engel reicht ihm keine Erfrischung, sondern stopft ihm den Mund mit einer glühenden Kohle. Das ist der blanke Horror. Jetzt wird ihm wirklich aller Atem geraubt. Er muss in qualvollem Schmerz ersticken.

Spätestens hier müsste Jesaja schweißgebadet aus seinem Albtraum erwachen. Aber nein: Auf einmal wird es tröstlich still. Der Engel hat sich zum Freund gewandelt. Jesaja ist willkommen an diesem Ort. „Gegrüßet seist du, Auserwählter!“ Und dann wird er zum Propheten berufen. Er wird verkünden, was er selbst erlebte: Schrecken und Trost.

Niemand wird Christ, um den Albtraum des Jesaja zu erleben. Wir suchen das Erhabene. Wir wollen etwas Besonderes sein, den Sorgen enthoben, auf pneumatischen Wolkenkissen des Heiligen Geistes ruhend allmählich auffahren gen Himmel, dem Heiligen Vater zu, uns hinaufwinden mit Adlersschwingen bis zu guten Ränge in erlauchter Gesellschaft dort oben im grandiosen himmlischen Schauspiel. Es kann sehr anders kommen.

„Weh mir, ich vergehe!“ schreit Jesaja. „Kümmert es dich nicht, dass wir jämmerlich ertrinken!“ brüllen die Jünger Jesu ihren Meister an, der aus unerklärlichem Grund trotz höchster Todesnot nicht wachzukriegen ist.  Das ist definitive Gottverlassenheit im Angesicht des sicheren Todes unter extrem traumatischen Umständen. Das hat kein Glaubender im Programm. Vieles wird Gott zulassen, aber das doch nicht! Doch, gerade so etwas. Gerade das, was wir uns nie vorgestellt hätten.

Wahrscheinlich unterscheidet das die echten von den falschen Propheten. Die falschen singen bekanntlich ihr dreifaltiges „Friede, Friede, Friede“, wo doch kein Friede ist. Die echten übertünchen nichts. Sie halten aus, was nicht auszuhalten ist. Sie glätten nicht, sie rechtfertigen nicht, sie machen sich keinen Reim, wo keiner ist. Sie vergehen mit Hiob im Leid. Sie schreien und wimmern mit aller leidenden Welt das unendliche „Mein Gott, mein Gott, warum!“ Nicht, weil sie das gern wollen. Nicht, weil sie so erhaben tapfer sind, strahlende Heldenfiguren des Glaubens. Sondern weil sie ganz einfach selbst betroffen sind.

Gott, der Vater, mutet es zu. Gott, der Sohn, ist der Hauptbetroffene. Gott, der Heilige Geist, bringt es uns bei. Auf seine wunderliche Weise: So, dass es still wird, mitten drin, und wahrer Trost aufkommt. Unbegreiflicher Friede. Tiefe, durch und durch beglückende Freude. Mitten drin Aufrichtung, Bestätigung, Würdigung, Stärkung, Anerkennung. Mitten drin: Berufung.

Da wird dreimal Friede aus dem dreimal heilig: Ich weiß, wofür ich lebe. Ich bin begnadigt und begnadet. Darum gehe ich meinen Weg und lasse nicht ab.

Hans-Arved Willberg

Über Hans-Arved Willberg

Dr. phil. Hans-Arved Willberg Trainer - Dozent - Publizist Jhg. 1955, vh., 2 Söhne, wohnt in Etzenrot bei Karlsruhe Inhaber Beratungsfirma Life Consult und Leiter Institut für Seelsorgeausbildung (ISA)
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