Wort zur Woche

Rogate

Wochenspruch: „Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet.“ Psalm66,2

Leitmotiv: Das Gebet

Worum soll es mir gehen in meinem Gebet? Muss ich Gott bewegen dadurch, weil er sich sonst nicht bewegen würde? Oder sich an mir vorbei bewegen würde oder fort von mir. Oder gar gegen mich wie eine Planierraupe, die einebnet, was ihr im Weg steht? Muss ich beten, um mich vor Gott zu behaupten? Wie vertraut ist mir der Gedanke, aber wie unsinnig ist er auch.

Darum die Doppelung: Er verwirft mein Gebet nicht, aber er wendet auch seine Güte nicht von mir ab. „Mein lieber Hans-Arved“, sagt er mir, „ob du betest oder nicht: Ich bleibe dir immer gleich zugewandt. Du kannst dich auf mich verlassen. Ich bin für dich und bleibe es.“

Wenn Du jetzt denkst: „Okay, dann brauche ich ja gar nicht zu beten“, dann lass dich bitte mal ganz kurz und freundlich am Ärmel fassen, für einen Augenblick der Besinnung: Was für ein Modell vom Beten hat sich da in Dir eingenistet? Beten als Einflussnahme auf Gott zu Deinen Gunsten? Ich frage das nicht von oben herab, weil ich diese Einstellung von mir selbst sehr gut kenne.  Ich mag sie nicht mehr. Das ist magisches Gebetsverständnis.

Dahinter steckt die Angst: Wenn ich nicht bete, wird Gott beleidigt sein. Wenn ich nicht bete, komme ich zu kurz. Ich muss mich durchsetzen bei Gott mit meinem Gebet, wie ein Vögelchen im Nest, das den Schnabel noch weiter aufreißt als die anderen, noch lauter plärrt, sich noch wichtiger tut. Ich habe mich mit dieser Gebetseinstellung wütend und depressiv gemacht. Denn ich habe erfahren, dass sie nicht funktioniert. Das kommt nicht aus der Dankbarkeit. Es steht kein ehrliches „Gelobt sei Gott“ dahinter. Der Gott, der mich wirklich und vorbehaltlos liebt, kann das nicht bestätigen. Menschlich gesprochen: Das enttäuscht ihn wirklich. „Was machst du für ein Geschrei?“ fragt er zurück. „Was tust du dich so wichtig? Warum hast du solche Angst vor mir? Habe ich dir nicht versprochen, dass ich meine Güte nicht von dir wende?“

Wenn die magische Einflussnahme aus Angst vor dem Zukurzkommen wegfällt, dann bekommt das Beten eine andere Qualität. Das Vögelchen kann nicht nur angstvoll plärren, es darf sein Schnäbelchen auch zum Singen verwenden. Es ist gut, dass der Sonntag „Rogate“ nach dem Sonntag „Kantate“ kommt. Singt dem Herrn ein neues Lied. Betet singend. Stimmt in den Ton der Dankbarkeit ein. Traut euch zu leben. Geht auf in eurer Berufung. Wie die Amsel auf dem Giebel. Sie versteckt sich nicht. Sie singt. Sie ist erfüllt von Gesang. Sie preist den Schöpfer und tröstet das Geschöpf. Gibt es etwas Ermutigenderes in der Natur als ihr frisches Lied am frühen Morgen? Und etwas Friedlicheres als ihr Tagesschlusskonzert bei Sonnenuntergang? So sei dein Gebet.

Hans-Arved Willberg

Über Hans-Arved Willberg

Dr. phil. Hans-Arved Willberg Trainer - Dozent - Publizist Jhg. 1955, vh., 2 Söhne, wohnt in Etzenrot bei Karlsruhe Inhaber Beratungsfirma Life Consult und Leiter Institut für Seelsorgeausbildung (ISA)
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