Erste philosophische Überlegung

Philosophie ist Wahrheitssuche. Die beiden Grundfragen der Philosophie lauten: „Was ist?“ und „Wie kann das, was ist, erkannt werden?“ Dem schließt sich zwingend die Frage „Was ist Erkennen?“ an. Sie kann wiederum nicht ohne die erste Frage angegangen werden, da Erkennen selbst ein Seiendes ist.

Eine Theologie mit als absolut vorausgesetztem Wahrheitsanspruch kann sich nur auf nicht hinterfragbare Dogmen stützen. Die Nicht-Hinterfragbarkeit kann dadurch behauptet werden, dass dem Zweifel an der unfehlbaren, unmissverständlichen Klarheit des Dogmas mit der Androhung von Höllenstrafen begegnet wird. Dies kennzeichnet den Fundamentalismus. Eine Theologie hingegen, die ihren Wahrheitsanspruch aus innerer Überzeugung statt aus dogmatischer Behauptung erhebt, muss, um glaubwürdig zu sein, den Demutsweg der Philosophie beschreiten. Das heißt: Sie muss glaubwürdige Antworten auf die philosophischen Grundfragen geben. Sie braucht diese Antworten nicht als Legitimation ihrer Existenz, aber als Begründung ihrer Ernsthaftigkeit. Jeder darf glauben, was er will, und es wird kaum einen Glauben geben, der nicht spontan entsteht; jeder Glaube wird aber zwangsläufig entweder zur Schwärmerei, zur blinden Dogmenergebenheit oder zu beidem, wenn er sich nicht philosophisch definiert. Das heißt: Wenn er sich den Grundfragen der Philosophie nicht ernsthaft stellt. Das nötigt keineswegs dazu, sich den von der Philosophie angebotenen Antworten unterwerfen zu müssen. Aber es bedeutet, den eigenen Standort in der Relation zu diesen logisch zu benennen. Sonst hängt der eigene Wahrheitsanspruch in der Luft und mit ihm auch jede ethische Verbindlichkeit.

Über Hans-Arved Willberg

Dr. phil. Hans-Arved Willberg Trainer - Dozent - Publizist Jhg. 1955, vh., 2 Söhne, wohnt in Etzenrot bei Karlsruhe Inhaber Beratungsfirma Life Consult und Leiter Institut für Seelsorgeausbildung (ISA)
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